Gletscherlehrpfad Obersulzbachkees, Aufstieg zur Kürsingerhütte und Anstiege zum Keeskogel und Großvenediger im August 2000.
Hinweis zum Gletscherrückgang seit dem Jahr 2000
Beim Obersulzbachkees macht sich seit den hier vorgestellten Wanderungen und Hochtouren im August 2000 ein stärkerer Rückzug des Eises bemerkbar, wie aus einem Artikel mit Foto des Landes
Salzburg auf www.salzburg/at hervorgeht. Durch zunehmendes Auftauen des Permafrosts in den Felsregionen kamen Steinschlag- und
Felssturzgefahr hinzu, die alte Wege zur Warnsdorfer Hütte und Kürsinger Hütte bedrohten. 2001 kam es dabei durch herabstürzende Felsbrocken zu einem Unglück, bei dem drei deutsche Bergsteiger
ums Leben kamen.
Das von mir vom Gletscherschaupfad aufgenommene flache Schlussstück der damals schon dünnen Gletscherzunge schmolz ab. Der Gletscher zog sich zurück. Im Rückzugsgebiet bildete sich ein größerer Gletscherrandsee. Siehe Foto auf oben stehendem Link.
Auf zwei Aufnahmen vom Gipfel des Großvenedigers bei bergfex/at ( Nr. 48/50 und 50/50) ist der neue Gletscherrandsee ebenfalls gut zu
erkennen.
Bericht und Bemerkungen zur Tour auf den 3291 m hohen Keeskogel im Aug. 2000
Nach dem 14-tägigen Urlaub mit meiner Frau in Neukirchen blieb ich weitere vier Tage im Großvenedigergebiet. Ich hatte vor, von der Kürsingerhütte aus den Keeskogel und den Großvenediger zu besteigen. Durch die zuvor durchgeführten Touren (u.a. Gr. Grießkogel 3065 m) war ich akklimatisiert und konditionell gut vorbereitet. Das Hüttentaxi brachte mich am Morgen vom Parkplatz an der Schranke ins Obersulzbachtal zur Talstation der Materialseilbahn zur Kürsinger Hütte. Den schweren Rucksack mit der Ausrüstung ließ ich mit der Materialbahn hinauftransportieren. Mit meinem leichten Zweitrucksack stieg ich unbeschwert zur Hütte auf.
Von der Kürsingerhütte verfolgte ich gegen Mittag den markierten Steig zum 3291 hohen Keeskogel gegenüber dem 3666 m hohen Großvenediger. Es herrschte schönes stabiles Wetter mit guter Fernsicht
und besten Verhältnissen am Berg. Vorsorglich führte ich Steigeisen und Pickel für den Bedarfsfall mit, konnte jedoch auf deren Gebrauch verzichten, weil ich schnee- und eisfreie Verhältnisse auf
dem Weg und in den trockenen Felsen zum Gipfel hin vorfand. Oberhalb des Blockwerks lag im nur mäßig geneigten Schlussstück des Aufstiegs aufgefirnter, gespurter Schnee, ebenso auf dem
Gratverlauf südlich des Kreuzes.
Auf dem Gipfel traf ich ein paar Bergsteiger an, die ihre Rast beendeten und einige Minuten später abstiegen. Danach war ich 1:30 Std. allein oben und genoss die großartige Rundumsicht.
Besonders eindrücklich waren die Sicht auf den Klein- und Großvenediger mit dem Obersulzbachkees, der Tiefblick über die steile, überwiegend vergletscherte Ostflanke des Keeskogels auf das
Untersulzbachkees und die Sicht über das obere Untersulzbachkees zu den Hohen Tauern mit dem Großglockner. Erst beim Abstieg im Blockwerk begegnete ich wieder einem Bergsteiger, der ebenfalls
allein zum Gipfel unterwegs war.
Auf dem Hin- und Rückweg zwischen Kürsingerhütte und Gipfel musste ich nach der Querung eines kleinen Bachs eine Stelle in steilerem Gelände zu einer Schulter hinauf überwinden, die mit Bedachtsamkeit zu begehen war. Hier könnte es bei Vorliegen von Hartschnee oder Vereisung ohne Steigeisen und Pickel gefährlich werden.
Fazit und Anforderungen: Landschaftlich außergewöhnlich schöne Gipfeltour, die in die beachtliche Höhe von fast 3300 m führt und vom Bergwanderer ohne Eisausrüstung nur bei günstigen sommerlichen Verhältnissen mit stabiler, schöner Wetterlage und guten Verhältnissen am Berg durchgeführt werden kann. Ich empfehle für diese Tour sicherheitshalber die Mitnahme von Steigeisen und Pickel für den Bedarfsfall.
Notwendige Voraussetzungen für diese ernste Hochtour sind Alpine Erfahrung, Kondition, Akklimatisation, warme Kleidung, feste Bergschuhe, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Der Anstieg muss ohne Steigeisen im steilen felsigen Gipfelbereich schnee- und eisfrei sein. Er sollte bis zum Zustieg auf den Blockrücken zumindest gut aufgefirnten Altschnee aufweisen, auf dem man in steilerem Hang sicheren Tritt fassen kann. Deshalb nicht zu früh am Tag ansteigen. Die letzten 100 m der Geländerippe müssen im Auf- und Abstieg in unschwieriger Kletterei in brüchigem und blockigem Steilgeände zurückgelegt werden. Danach legt sich der Gipfelhang zum Kreuz hin etwas zurück.
Weitere und nähere Angaben zu dieser Tour können dem ROTHER WANDERFÜHRER <HOHE TAUERN - Nationalpark Nord> von Autor Sepp Brandl entnommen werden.
Wichtig: Vor dieser Tour unbedingt die aktuellen Verhältnisse am Berg auf der Kürsinger Hütte erfragen oder vorher auf der Hütte anrufen und sich erkundigen!
Fotogalerie zu den Touren mit Bildbeschreibungen
Besteigung des Großvenedigers (3662 m) von der Kürsinger Hütte über die Venedigerscharte im Aug. 2000
Zur Tour auf den Großvenediger schloss ich mich am übernächsten Tag nach der Besteigung des Keeskogels wegen der Spaltengefahr einer Seilschaft von zwei Bergsteigern im Alter von 60 und 63 Jahren an.
Ich hatte die Männer am Abend zuvor auf der Kürsinger Hütte kennengelernt. Sie waren tagsüber aus dem Neckar- und Rheingebiet angereist und zur Hütte aufgestiegen. Für beide war es die erste Bergtour im Jahr. Der Jüngere erzählte, dass er schon 7x auf dem Großvenediger gewesen sei, auch schon den Großen Geiger und einen der Maurerkeesköpfe bestiegen habe und das Gebiet gut kenne. Der Ältere hatte als aktiver Sportler eine gute körperliche Verfassung und Kondition. Ihm fehlten allerdings die nötige Erfahrung bezüglich Gletschertouren und im richtigen Umgang mit Steigeisen und Seil.
Beim Anstieg zur Venedigerscharte schlug ich vor, die Steigeisen anzulegen. Dieses Ansinnen wurde von beiden Männern mit dem Hinweis auf die gute Spur und Schneebeschaffenheit abgelehnt. Ein Stück weiter oben in einem von vielen Querspalten durchzogenen Hangstück versuchte der Ältere - entgegen meinem Rat, meiner Spur zu folgen - eine Gletscherspalte auf einer morschen, bereits löchrigen Schneebrücke zu queren. Er wollte sie nicht rechterhand in einem kurzen, steilen, ohne Steigeisen etwas rutschigen Hangstück umgehen. Dabei brach er, von uns am kurzen Seil gehalten, nur bis zum Bauch ein. Zunächst versuchte er, sich aus der Spalte herauszuarbeiten. Dies gelang ihm jedoch nicht, da er keine Steigeisen angelegt hatte. Er fand mit den Schuhen keinen Tritt und rutschte tiefer. Zu zweit zogen wir ihn aus der Spalte heraus. Danach legten beide Seilpartner ihre Steigeisen an. Später verhakte sich der Ältere beim Gehen mit den Steigeisen mehrmals und fiel dabei jedesmal der Länge nach hin.
Etwas unterhalb der Venedigerscharte rasteten wir im Schneehang. Dem Älteren entglitt seine teure Zeiss Ikon Kleinbildkamera aus der Hand. Sie rutschte etwa 30, 40 m den steilen Hang hinunter und verschwand in einer schmalen Gletscherspalte. Wir stiegen zu der Spalte hinunter und sahen die Kamera über einen Meter tief in der Spalte auf einem etwa 30 cm breiten, ebenen Eissims liegen. Davor gähnte ein tiefer, dunkler, etwa 1/2 m breiter Spalt. Der Ältere tauchte, von uns gesichert, mit Kopf und Oberkörper in die Spalte ein und holte seine Kamera heraus. Sie war unbeschädigt geblieben und funktionierte weiterhin einwandfrei.
Der jüngere von beiden Männern war nicht akklimatisiert. Er blieb häufig stehen. Ihm setzte die Höhe zu. Der Schnee wurde auf dem Oberen Keesboden am Fuße des sonnenausgesetzten Südhangs unter dem Großvenedigergipfel immer sulziger und das Vorankommen in der etwa 1/2 m tief eingegrabenen, aufgeweichten Spur zunehmend beschwerlicher. Ein uns entgegenblasender, warmer Südwestwind mit heftigen Böen, der unser Vorankommen zusätzlich erschwerte, riß dem Älteren die Mütze vom Kopf und trieb sie in unserer Aufstiegsspur ein großes Stück zurück, bis sie nicht mehr sichtbar war. Der jüngere Seilpartner klinkte sich aus dem Seil aus. Er sagte, dass er nicht mehr zum Gipfel mitkomme. Er raste jetzt, ruhe sich aus und warte auf uns an dieser Stelle.
1:30 Std. später als vorgesehen erreichten der Ältere und ich den Gipfel. Auf dem schmäler werdenden Bergrücken und Gratstück zum Gipfelkreuz setzten uns heftige Windböen weiter zu. Immer wieder mussten wir stehen bleiben und unsere Sonnenhütchen und Mützen festhalten, damit sie nicht vom Wind vom Kopf gerissen und fortgetragen werden. Beim Fotografieren des Seilpartners auf dem Gipfel mit dessen Kamera riss mir eine Windboe mein Sonnenhütchen vom Kopf und wirbelte es die steile Nordostflanke hinunter.
Etwa 20 Minuten später kam der Jüngere allein und ohne Seilsicherung zu uns auf den Gipfel heraufgestiegen. Er mühte sich dabei in einer Stapfenspur im steileren Hangstück rechts von der breiten, ausgetretenen Auf- und Abstiegspur im tiefen sulzigen Schnee hoch, mehrere schmale Spalten dabei querend. Vor dem Abstieg klinkte er sich wieder in unser Seil ein.
Bergab wollte der Jüngere vorausgehen und führen. Er schlug die Spur zum Hohen Aderl und Defreggerhaus ein. Ich wies ihn darauf hin, dass er im Begriff sei, die falsche Richtung einzuschlagen, wenn er zur Kürsinger Hütte zurück wolle. Er und sein Freund vertraten die Auffassung, dass wir aus dieser südlicher Richtung von der Kürsinger Hütte aufgestiegen seien. Beide wollten es mir längere Zeit nicht abnehmen, dass wir aus östlicher Richtung von der Venedigerscharte aufgestiegen waren. Stur blieben sie bei ihrer Auffassung. Selbst mein Hinweis auf die unterschiedlichen Ansichten des Großvenedigers von Süden und von der Kürsingerhütte sowie der Blick auf die Wanderkarte vermochte sie nicht zu überzeugen, dass die links abzweigende Spur zur Venedigerscharte die richtige ist. Nur widerwillig ließen sie sich auf den von mir empfohlenen Kurs zur Venedigerscharte ein, bis sie schließlich erkennen konnten, dass wir auf dem richtigen Weg waren.
Die große Querspalte unterhalb der Venedigerscharte war am Nachmittag völlig offen. Durch die Sonneneinstrahlung und den für diese Höhe ungewöhnlich warmen Südwestwind war die Schneebrücke gänzlich aufgeweicht worden und eingebrochen. Am Seil gesichert, überwanden wir mit Anlauf die gut 1,5 m breite Spalte.
Auf dem unteren, fast aperen Teil des Gletschers marschierten beide Männer auf der aufgefirnten Schneebrücke einer langen Längsspalte hangabwärts. Außerdem hielten sie Kurs auf ein größeres Spaltenlabyrinth, das ich bei einer Erkundungstour am Vortag aufgesucht und fotografiert hatte (s. Fotos). Ich machte sie darauf aufmerksam. Sie sagten, dass es im Schnee angenehmer zu laufen sei als auf dem harten Eis. Sie erkannten nicht, dass sie sich auf einer Schneebrücke über einer sehr breiten und tiefen Längsspalte bewegten. Sie ließen sich von mir jedoch dazu bewegen, seitwärts auf dem harten Eis zu laufen. Etwa 30, 40 Meter weiter unten war die Schneebrücke durch ein mehrere Meter langes und breiteres Loch in der sehr tiefen und breiten Gletscherspalte unterbrochen. Sie wies an dieser Stelle eine unterschiedliche Dicke zwischen 20 und 100 cm auf. Diesmal gaben gaben sie mir zu verstehen, dass sie froh seien, dass ich sie rechtzeitig gewarnt hatte.
An der Seitenmoräne trennten sich unsere Wege. Ich zog meine Schuhe und Strümpfe aus, die vom langen Stapfen im aufgeweichten, nassen Schnee völlig durchnässt waren. Mit trockenen Reservesocken und darüber gestülpten Plastikbeuteln an den Füßen stieg ich wieder in die innen völlig nassen Bergstiefel und kehrte mit trockenen Füßen zur Kürsingerhütte zurück. In der Nacht schlug des Wetter um. Es fing zu gewittern und heftig zu regnen an.
Tourenbeschreibung, Angaben zu Höhenunterschied, Weglänge, Gehzeit, Anforderungen/Spaltengefahr, Hüttenanstieg, aktuellere Fotos usw. auf der Homepage bei bergfex/at:
Näheres zur Erreichbarkeit der Kürsinger Hütte (Aufstiegszeiten, Venedigerbus, Tourenmöglichkeiten, Bergführerbüro usw.) auf Homepage der Kürsingerhütte:
http://www.kuersinger-huette.at/